CLASSICS 180° – Was Sie erwartet
Französische Musikkultur vom Allerfeinsten: Das Ausnahmeorchester «Les Siècles» und der Cellist Xavier Phillips präsentieren Werke von Saint-Saëns und Ravel; die Gesamtleitung liegt in Händen der jungen Dirigentin Ustina Dubitsky. Und wenn der gefeierte Illustrator Grégoire Pont Live-Animationen zu Ravels fantastischen Klangwelten für «Ma Mère l'Oye» beisteuert, wird daraus ein Fest für die Ohren und die Augen.
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PROGRAMMÄNDERUNG
Anstelle der Konzerte mit der Baltic Sea Philharmonic vom 14* bis 17* November 2024 spielt das Spezialensemble «Les Siècles». Das Konzert vom 14* November 2024 in Lugano musste aus terminlichen Gründen indes abgesagt werden (Bekanntgabe per 24.9.2024).
Alle Tickets für die Konzerte vom 15*16*17* November 2024 behalten ihre Gültigkeit.
Rückerstattungen von Einzelkarten via Ticketverkaufsstelle sind möglich.
FR, 15*11*24
GENF, 19.30 UHR
SA, 16*11*24
BERN, 20.00 UHR
SO, 17*11*24
ZÜRICH, 20.00 UHR
Die Musiker*innen des Ausnahmeorchesters «Les Siècles» spielen jedes Repertoire auf den entsprechenden historischen Instrumenten und setzen mehrere Jahrhunderte musikalischen Schaffens in einen relevanten und unerwarteten Zusammenhang. Um ihre Leidenschaft für klassische Musik an möglichst viele Menschen weiterzugeben, organisieren die Musiker*innen seit der Gründung des Orchesters 2003 regelmässig Bildungsaktivitäten in Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen. Sie führen auch zahlreiche Orchesterakademieprojekte durch. Das Ensemble ist im Atelier Lyrique de Tourcoing, im Théâtre des Champs-Élysées, im Département Aisne und in der Region Hauts-de-France ansässig. Seit 2018 nimmt «Les Siècles» für das Label harmonia mundi auf und spielt die gesamte Orchestermusik von Ravel, Debussy und Berlioz ein. Ausserdem hat das Orchester einen Zyklus über Mahler und die Zweite Wiener Schule begonnen.
Mit Ustina Dubitsky betritt eine weitere Vertreterin der jungen Dirigentinnengeneration das internationale Konzertpodium. Aufgewachsen in München, spielte sie zunächst Geige und war Konzertmeisterin in verschiedenen Nachwuchsorchestern. Nach einem Dirigierstudium in Weimar und Zürich entschloss sie sich, diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen – und das mit Erfolg. 2022 gewann sie beim Pariser Dirigierwettbewerb «La Maestra» den Orchesterpreis, im selben Jahr wurde sie als Assistentin von François-Xavier Roth zum Gürzenich-Orchester Köln berufen. Mittlerweile leitete Dubitsky bedeutende Klangkörper wie das Orchestre de Paris, die Dresdner Philharmonie und das Ensemble Modern. 2024 debütierte sie an der Bayerischen Staatsoper München mit den Opern «Lucrezia» und «Der Mond».
«Von Anfang bis Ende ein grosser Spass», urteilte das Fachblatt «The Strad» über eine Offenbach-Einspielung mit dem französischen Cellisten Xavier Phillips. Neben diesem Ausflug ins heitere Genre liegt dem gebürtigen Pariser aber auch das Schwere und Tiefe, wie seine CDs mit Werken von Schnittke, Schostakowitsch oder Brahms belegen; für die Aufnahme mit Dutilleux' Cellokonzert gab es sogar eine Grammy-Nominierung. Zu seinen Förderern gehörte kein Geringerer als Mstislaw Rostropowitsch, der seinem Schüler bei vielen gemeinsamen Auftritten den Solopart überliess. Phillips spielt ein Instrument des legendären Matteo Gofriller von 1710.
Der französische Künstler Grégoire Pont fand schon früh zu einer persönlichen Ausdrucksweise. Mit acht Jahren besuchte er einen Animations-Workshop in Paris und verlegte sich seitdem ganz auf das Zeichnen. Nach seinem Abschluss an der Kunsthochschule Penninghen 1992 entwickelte er sein eigenes Konzept Cinesthetics, bei dem er live Illustrationen zu einer musikalischen Aufführung erstellt, etwa zu Werken von Ravel, Saint-Saëns oder Debussy. Sein Ziel: auch ungeübten Hörern einen Zugang zu klassischer Musik zu ermöglichen. Mittlerweile hat Pont mit Dirigenten wie Kent Nagano zusammengearbeitet und an etlichen Operninszenierungen mitgewirkt.
Der «Danse macabre» war zunächst ein Klavierlied, das Camille Saint-Saëns 1872 auf ein Gedicht von Henri Cazalis schrieb, «Égalité-Fraternité». Cazalis variiert darin das alte Motiv vom Tod, der zum Tanz aufspielt: Ganz im Sinne der Schwarzen Romantik verlegt er die Szene auf einen nächtlichen Friedhof. Dass es ihm auch um Gesellschaftskritik ging, deutet seine Titelwahl an. Denn nur der Tod sorgt für Gleichheit unter den Menschen – tagsüber herrschen dieselben sozialen Unterschiede wie eh und je, daran hat auch die Französische Revolution nichts ändern können. Cazalis' zynisches Fazit: «Vive la mort et l'égalité!»
Zwei Jahre später arbeitete Saint-Saëns das Lied zu einer Sinfonischen Dichtung um – ein in mehrfacher Hinsicht erstaunlicher Vorgang. Entfiel doch bei dieser Art von Bearbeitung der Gedichttext; die Musik musste nun für sich «sprechen». Ausserdem erweiterte er die Vorlage so stark, dass das Orchesterwerk mit ca. acht Minuten Spieldauer zwar immer noch kurz ist, aber fast vier Mal so lang wie das Lied. Die Uraufführung fand im Januar 1875 in Paris statt.
Den Hintergrund für die Neufassung bilden Saint-Saëns' kulturpolitische Aktivitäten in den 1870er Jahren. Nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland versuchte er mithilfe der «Société nationale de musique», das Niveau der französischen Instrumentalmusik dem des Nachbarlandes anzugleichen. 1872/73 kamen zwei sinfonische Dichtungen aus seiner Feder zur Uraufführung, und deren Erfolg dürfte ihn zur Bearbeitung seines stimmungsvollen Klavierlieds veranlasst haben. Der «Danse Macabre» stiess allerdings zunächst auf Unverständnis; zum Teil wurde das Stück sogar ausgebuht.
Hatte der Komponist seinem Publikum zu viel zugemutet? Wenn die Solo-Geige nach kurzer Einleitung einsetzt, tut sie das mit einer schrillen Dissonanz (a-es) – es klingt, als sei das Instrument verstimmt. Und das ist es wirklich; Saint-Saëns weist den Solisten an, seine E-Saite um einen Halbton herunterzustimmen. Von solchen «naturalistischen» Klangeffekten gibt es im «Danse Macabre» eine ganze Reihe: Becken, Triangel und Grosse Trommel sorgen für schauriges Tanzfeeling, die Streicher haben mit dem Bogenholz auf die Saiten zu schlagen, das Xylophon lässt die Knochen klappern...
Musikalisch lehnt sich die Tondichtung stark an das Lied an. In mehreren Durchgängen (Strophen) spielt der fiedelnde Tod zum Tanz auf, bewegen sich immer neue Akteure im Walzertakt: erst die Flöte, dann Geigen, Oboen und Fagotte. Die entscheidende Erweiterung erfolgt nach Strophe 6, wenn Saint-Saëns aus dem Walzerthema eine Fuge konstruiert: keine Fuge im strengen Sinn, eher ein Reigen der ewiggleichen Melodie, der nach und nach das gesamte Orchester ergreift. Im folgenden Taumel kommt die Solo-Geige kaum noch zu Wort; es wirkt, als hätten sich Tänzerinnen und Tänzer vom Tod emanzipiert. Dann das ebenso unerwartete wie plötzliche Ende: Auf dem Höhepunkt bricht der Walzer ab, der Hahnenschrei der Oboe kündigt den Morgen an. Noch einmal versucht der Tod, zum Tanz zu animieren, aber – er ist allein.
Ebenfalls im Jahr 1872 entstand Saint-Saëns' 1. Cellokonzert. Die Uraufführung, die im Januar 1873 stattfand, bescherte dem Komponisten nach der eher zwiespältigen Aufnahme seiner Klavierkonzerte einen unverhofften Erfolg. Das mag am Solisten und Widmungsträger Auguste Tolbecque gelegen haben, sicher aber auch am Stück selbst, das von der Kritik als ein «Werk von exzellentem Sentiment und vollkommener Geschlossenheit» gelobt wurde, in dem «überdies die Form höchstes Interesse weckt».
Die formale Anlage lässt in der Tat aufhorchen. Das Cellokonzert besteht aus einem einzigen Grosssatz, der sich in drei deutlich unterschiedene Abschnitte gliedern lässt. Die Tempoverhältnisse schnell-mässig-schnell entsprechen denen des klassischen Solokonzerts, aber weil der dritte Teil auf Motive des ersten zurückgreift, schimmert gleichzeitig der Aufbau eines Sonatensatzes mit Exposition-Mittelteil-Reprise durch. Dieses Konzept formaler Mehrdeutigkeit geht auf Franz Liszt zurück, den Saint-Saëns bereits als 17-Jähriger kennengelernt hatte.
Erwähnenswert ist auch das Verhältnis von Solist und Orchester in op. 33. Nach einem eröffnenden Tuttischlag reisst das Cello mit einem rasanten Triolenlauf sofort die Initiative an sich – ohne jedes Abtasten oder Vorgeplänkel sind wir mitten drin im Geschehen. Etwas später wandert die Triolenfigur in die Holzbläser, dann in die Geigen, bevor das Cello zum gesanglichen Seitenthema überleitet. Schon jetzt ist klar, dass Solist und Ensemble auf Augenhöhe agieren; beide partizipieren am musikalischen Material, das sie nur unterschiedlich präsentieren, virtuos das Cello, klangfarbenreich das Orchester.
Turbulent geht es weiter, aber dann gerät der Vortrag des Solisten plötzlich ins Stocken, und die gedämpften Streicher stimmen im neuen Tempo (Allegretto con moto) ein graziöses, fast etwas altväterliches Menuett an. Auch hier findet ein mehrfacher Rollentausch statt: Das Cello, wie gebannt von dem hübschen Einfall, beschränkt sich auf eine dezente Begleitmelodie, agiert dann selbst als Vortänzer, bevor zum Abschluss die Holzbläser zu Wort kommen. Der dritte Abschnitt knüpft hörbar an den Beginn des Konzerts an: In der Oboe erklingt das Triolenmotiv, wird von Orchester und Solist übernommen, aber schon bald von einem neuen Cello-Thema im leicht reduzierten Tempo verdrängt.
Der Clou dabei: Dieses Thema ist gar nicht so neu, wie es scheint, sondern aus der Begleitmelodie des Cellos im Menuett geformt. Die Anfangstöne sind identisch, nur der Rhythmus ist markant geändert. In diesem letzten Teil des Konzerts finden sich also Bezüge zu beiden vorherigen Abschnitten; der Reprisencharakter ist gewahrt, lässt aber auch Platz für Neues. Etwa für ein Seitenthema, das der Cellist auf der tiefen C-Saite seines Instruments anstimmt, oder für wirbelnde Begleitfiguren, mit denen die Virtuosität des Soloparts noch einmal zugespitzt wird. Vor allem dem Orchester kommt die Aufgabe zu, immer wieder Elemente aus dem ersten Abschnitt einzustreuen, darunter die allgegenwärtige Triolenfigur – der Kreis schliesst sich.
Die Welt der Kinder übte eine ganz besondere Faszination auf den Komponisten Maurice Ravel aus. Sowohl privat – er sammelte Puppen und Spielsachen, Miniaturgeschirr und Muscheln – als auch musikalisch. Ausgangspunkt seiner Oper «L'enfant et les sortilèges» ist ein kindlicher Alptraum: Urplötzlich erwachen Gegenstände und Haustiere zum Leben. Und der Klavierzyklus «Ma Mère l'Oye» (1908–1910), der auf beliebten französischen Hausmärchen beruht, wurde sogar explizit für Kinder von Freunden komponiert.
Zwei dieser Märchen, «Dornröschen» und «Der kleine Däumling», entstammen der Sammlung «Erzählungen meiner Mutter, der Gans», die Charles Perrault, der französische «Grimm», bereits 1697 veröffentlicht hatte. Für zwei weitere, «Die Kaiserin der Pagoden» und «Die Schöne und das Biest», griff Ravel auf Erzählungen von Marie-Catherine d’Aulnoy und Jeanne-Marie Leprince de Beaumont zurück. Nur das fünfte Stück, «Der Feengarten», hat keine konkrete Vorlage. Von seinen ebenso schlichten wie raffinierten Miniaturen erstellte Ravel noch im Jahr 1910 eine Orchesterfassung, aus der wiederum eine Ballettmusik hervorging. Ende Januar 1911 kam das Ballett im Pariser Théâtre des Arts zur Uraufführung.
Die Ballettmusik unterscheidet sich vom fünfsätzigen Original durch zwei eröffnende Abschnitte, ein Vorspiel und eine Szene am Spinnrad. Ausserdem stellte Ravel die Mittelsätze um und ergänzte Zwischenspiele als Überleitungen. Die Handlung des Balletts geht auf ihn selbst zurück: Prinzessin Florine, die im Feengarten lebt, sticht sich an einer Spindel und fällt in einen tiefen Schlaf. Dank der guten Fee Bénigne bevölkern Märchenfiguren ihre Träume: Erst verlieben sich die Schöne und das Biest, dann verirrt sich Däumling im Wald, zuletzt hat die hässliche Kaiserin mit ihren zwergenhaften Dienerinnen ihren Auftritt. Der Schlusssatz wird zur Apotheose: Von Amor geführt, erscheint Prinz Charmant und erlöst die Schlafende durch seinen Kuss.
Handlungselemente finden sich über das ganze Stück verteilt: etwa, wenn sich die Prinzessin an der Spindel verletzt (Ende Satz 2) oder die Fee auf den Fingern pfeift, um ihre Helfer herbeizurufen (Überleitung zwischen 2 und 3). Plastisch nachvollziehen lässt sich auch die Verwandlung des Biests im 4. Satz: Nach einem «magischen» Harfen-Glissando erscheint das knarrende Motiv des Kontrafagotts in höchster Geigenlage. Mitten im 5. Satz schwirren plötzlich Vögel auf, die dem Däumling die ausgestreuten Brotkrumen auffressen, im 6. versetzen uns pentatonische Melodien, Glockenspiel und Celesta in einen imaginären Fernen Osten.
Was über diese illustrativen Elemente hinaus den Zyklus so eindrucksvoll macht, ist die Sparsamkeit der Mittel. Ravel genügt ein eher klein besetztes Orchester, ergänzt um einige gezielt verwendete Zusatzinstrumente. Auch thematisch legt er sich Beschränkungen auf: Seine Motive sind ungemein klar und fasslich, ohne alles Übertriebene, Redundante, wie es in der Erwachsenenwelt bisweilen vorherrscht. Hinzu kommt ein gewisser altertümlicher Anstrich, der die Miniaturen überzeitlich und damit märchenhaft wirken lässt. Und im Prélude scheinen bereits die wichtigsten Themen der folgenden Szenen auf, beginnend mit dem «Fluchmotiv», das ganz am Ende von «Ma Mère l'Oye» zum Triumph der Liebenden umgedeutet wird.
Wurde Ravels «Ma Mère l'Oye» erst im zweiten Anlauf zur Bühnenmusik umfunktioniert, ging das direkt im Anschluss komponierte «Daphnis et Chloé» den umgekehrten Weg: Es handelt sich um ein originäres Ballett, aus dem Ravel später zwei Orchestersuiten destillierte. Der Auftrag kam von Sergei Diaghilews Ballets Russes, die gerade erst mit dem «Feuervogel» (1910) und «Petruschka» (1911) des jungen Strawinski für Furore gesorgt hatten. Choreograph war in allen Fällen Michail Fokine, der so seine künstlerische Bandbreite eindrucksvoll unter Beweis stellte: nach russischem Märchenstoff und Puppenspielgroteske nun ein Ausflug in die griechische Spätantike. Als Grundlage des Balletts diente ein Schäferroman des Dichters Longos von Lesbos aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert.
Kurz zur Handlung: Der Schafhirte Daphnis und die Nymphe Chloé lieben sich, lassen sich aber auch gerne von anderen umschwärmen. Plötzlich überfallen Seeräuber die Insel und entführen Chloé; nur durch das Erscheinen des Hirtengotts Pan kann sie gerettet werden. Nachdem der neue Tag die Geliebten wieder zusammengeführt hat, stellen sie aus Dankbarkeit pantomimisch dar, wie Pan einst um die Nymphe Syrinx warb. Das Ballett endet mit einem Tanz aller zu Ehren Pans.
Nun mag man über die Relevanz von Sujet und Handlung geteilter Meinung sein, aber zumindest der Einbau der Pantomime beweist choreographisches Geschick: Als Spiel im Spiel bot sie den Protagonisten die Gelegenheit, Liebesnot und Liebesglück noch einmal in komprimierter Form nachzuerleben. Auch Ravel fand Gefallen an dieser Spiegelung und übertrug sie auf seine kompositorische Herangehensweise: «Meine Absicht war, ein grosses musikalisches Freskogemälde zu komponieren, weniger auf Archaik bedacht als auf Treue zum Griechenland meiner Träume.» Anders gesagt: Nicht um Abbildung geht es, sondern um das Schaffen von Assoziationsräumen, in denen sich die Fantasie des Hörers entfalten kann.
Und diese Eigenständigkeit dürfte auch der Grund sein, warum sich Ravels Musik gerade im Konzertsaal durchgesetzt hat. Die zweite der beiden Suiten, die der Komponist aus der Ballettpartitur zusammenstellte, entspricht dem Schlusstableau der Bühnenhandlung. Zu Beginn werden wir Zeugen eine der ganz grossen Sonnenaufgangsszenen der Musikgeschichte: Über flirrender Holzbläser- und Harfenbegleitung drängt ein majestätisches Motiv aus der Tiefe ins strahlende Licht. Zwei Schäfer (Piccolo bzw. Es-Klarinette) ziehen mit ihren Herden vorbei, dann erscheint Chloé. Zusammen mit Daphnis schlüpft sie in die Rollen von Syrinx und Pan: Man nähert sich vorsichtig an, trennt und findet sich wieder, dazu erklingen die schmachtenden Einwürfe der (Pan-)Flöte. Die immer leidenschaftlichere Darstellung greift auf andere Schäfer und Nymphen über, bis sich alles in einem orgiastischen Tanz vereint. Spätestens hier hat Ravels Musik die Intensität von Strawinskis «Le sacre du printemps» erreicht, wenn auch mit viel feineren, filigraneren Mitteln – und es war nicht zufällig Strawinski, der «Daphnis et Chloé» in den höchsten Tönen lobte: «nicht nur eines der besten Werke Ravels, sondern auch eines der schönsten Erzeugnisse der französischen Musik.»